AEE und ABC im Gegenüber

„Wie halten Sie es mit dem Umweltschutz und mit der AfD?“ Fragen aus einem Doppel-Interview mit den Vorsitzenden der beiden Richtungsgruppen in unserer Landeskirche. Der Arbeitskreis Bekennender Christen (ABC) und der Arbeitskreis Evangelische Erneuerung (AEE) sind zwei Richtungsgruppen in der ELKB. Wenn man ihre Richtung verkürzt auf den Punkt bringt, ist die eine Gruppe konservativ, die andere progressiv. Aber was macht ihr Profil tatsächlich aus? Dazu fragten wir im Doppel-Interview den Vorsitzenden bzw. Sprecher der jeweiligen Gruppe, Dekan Till Roth (ABC) und Pfarrer Johannes Herold (AEE). Die Fragen stellte HG Koch.

 

Berichte und Kommentare (B+K): Die ELKB und die Kirchen in unserem Land insgesamt stehen vor großen Veränderungen. Vieles wird 2050 nicht mehr so sein wie 2023. Welche Herausforderung ist Ihnen die Wichtigste?

Roth: Wenn die Entwicklungen so weitergehen,sind die Kirchen bald eine deutliche Minderheit in unserem Land. Ich halte es für wichtig, dass sich Haupt- und Ehrenamtliche, angeleitet durch kirchenleitende Impulse, auf diese neue Identität und Rolle in der Gesellschaft einstellen und sie annehmen lernen. Wir brauchen eine Theologie der Diaspora und dürfen nicht vergangenen Zeiten nachweinen. Eine große Herausforderung sehe ich darin, die übrig bleibenden Gemeindeglieder in ihrem Glauben mündig und sprachfähig zu machen. Der geistliche Grundwasserspiegel ist derzeit weithin extrem niedrig. Überzeugtes Christsein wird nicht per se aus der Minderheitensituation heraus entstehen.

 

Herold; Die Kirchen müssen von ihrem alten Denken, ihren alten Strukturen wegkommen: weg vom Beamtensystem mit Kirchengesetzen und zentralistischer Struktur; weg von dem Selbstbild der gesellschaftsprägenden Institution; weg leider auch von einer Struktur, in der kleine, überschaubare Gemeinden eine Pfarrperson haben, die dann vom Kindergarten über das Pflegeheim bis hin zum Friedhof alles managt und beseelsorgt. Was wachsen kann? Verschiedene Strukturen an verschiedenen Orten, bedarfsgerecht mal sozial orientiert (KiTas, Obdachlosenarbeit), in manchen Quartieren auf Altenarbeit konzentriert, in anderen auf Kinder und Familien – und alles wird immer wieder neu überdacht werden müssen. Ein fluides System, das für alle Beteiligten anstrengend sein wird – aber vielleicht sogar evangeliumsgemäßer als der große Dampfer Kirche, der wir gerade sind.

 

B+K: In unserer Kirche ist ein Klimaschutzgesetz in Vorbereitung, das helfen soll, die ELKB bis 2035 zu 90% und bis 2045 ganz klimaneutral zu machen. Unterstützen Sie dieses Ziel oder sehen Sie andere Prioritäten?

 

Roth: Ich halte den Klimaschutz für wichtig, er gehört aber sicher nicht zu den wesentlichen Aufgaben der Kirche. Man wird vergeblich nach einem neutestamentlichen Auftrag dazu suchen. Gottes Schöpfung „zu bebauen und zu bewahren“ (Gen 2, 15) ist vom urgeschichtlichen Kontext her ein Auftrag an die gesamte Menschheit. Insofern leisten wir als einzelne Christen wie auch als Kirche einen selbstverständlichen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung, aber eher wie nebenbei und nicht mit großem Getöse. Anstatt eigenes Personal und einen kirchlichen Arbeitszweig dazu aufzubauen, würde ich es wahrscheinlich vorziehen, professionelle Beratung und entsprechende externe Dienstleistungen einzukaufen.

 

Herold>: Die Schöpfung bebauen und bewahren, das ist laut der Bibel eine anthropologische Konstante, die für uns Christen entscheidend ist. Ein Gottes Willen entsprechendes Leben können wir nur dann führen, wenn wir alles in unserer Macht stehende tun, um die Klimakatastrophe möglichst abzumildern – von Verhinderung kann ja schon keine Rede mehr sein. Dass sich daraus Kooperationsmöglichkeiten mit nichtkirchlichen Menschen ergeben, ist ein schöner Nebeneffekt, den eine Kirche unbedingt nutzen sollte, die für viele Menschen uninteressant geworden ist. Aber unser Anspruch muss es sein, unser Leben im Sinne der Heiligen Schrift zu führen, und da ist engagierter Klimaschutz ein wichtiger Teil dazu.

 

B+K: Viele Mitglieder unserer Kirche sehen eine aktive Mitarbeit in der AfD als unvereinbar mit den Werten unseres christlichen Glaubens an. Andererseits sieht zum Beispiel der Augsburger Bischof in Fragen der Ehe und Sexualität durchaus Übereinstimmungen. Wie sehen Sie das?

 

Roth: Ich sehe das wie bei vielen anderen Themen: Es führt kein Weg daran vorbei, mit Christen zu diskutieren, die es ihrer Meinung nach für nicht unvereinbar mit christlichen Werten halten, in der AfD mitzuarbeiten. Allerdings kenne ich sehr wenige Menschen, die kirchlich hochverbunden sind und von denen ich vermuten würde, dass sie AfD-Wähler sind. Natürlich kann man im Grundsatzprogramm der AfD Schnittmengen mit christlichen Überzeugungen finden; anderes wie z. B. die fremdenfeindlichen Äußerungen widerspricht christlichen Werten. Das ist bei allen Parteien so. Ich persönlich nehme bei führenden AfD-Politikern wenig von christlicher Geisteshaltung wahr; ihre aggressive, subversive politische Kultur finde ich abstoßend.

 

Herold: Wir können hier gar nicht klar genug sein: Die AfD widerspricht in ihren Meinungen, Äußerungen und Zielen diametral dem christlichen Menschenbild, dem christlichen Bild einer friedlich zusammenlebenden Gesellschaft von Menschen mit und ohne Behinderung, Migrationshintergrund, wirtschaftlicher Stärke; und sie widerspricht dem Gedanken der Zusammengehörigkeit aller Menschen auf der ganzen Welt als geliebten Geschöpfen Gottes. Eine Zusammenarbeit mit der AfD ist nicht denkbar und wir sind als Kirche aufgerufen, ihr an jeder möglichen Stelle zu widersprechen.