Jahrestagung = Jubiläum:[br]50 Jahre - und ein bisschen weise

Wie steht es um die progressiven Kräfte in unserer Kirche? Sind sie längst in der Defensive oder immer noch eine (mit)gestaltende Kraft? Unter dieser Fragestellung trafen sich am 27. Oktober Mitglieder des AEE zur Jahrestagung im Haus eckstein in Nürnberg, zusammen mit der Evangelischen Akademikerschaft Bayern und der Evang. Stadtakademie als Kooperationspartnern. Das Leitende Team hatte zum 50. Geburtstag des AEE eingeladen, den man ohne Selbstbeweihräucherung mit einer kritischen Bestandsaufnahme begehen wollte.

Hans-Willi Büttner, der derzeitige Sprecher des AEE, erinnerte sich in seinem Eingangswort an Zeiten, als ein Pfarrer, wenn er heiraten wollte, dafür ein Genehmigung des Landeskirchenamtes einholen musste. Die Auserwählte sollte vorher auf jeden Fall den Pfarrbräutekurs besuchen, denn sie sollte ja Pfarrfrau werden und nicht einfach die Frau des Pfarrers.

Solche nostalgischen Erinnerungen könnten den Schluss nahelegen, dass die alten Zöpfe definitiv und unwiderruflich abgeschnitten seien und die Progressiven in der Kirche ihre Ziele weitgehend erreicht hätten. Büttner setzte dem entgegen, dass es noch Fülle von Aufgaben gebe - als Beispiel nannte er die bedrohte Demokratie, die Geschlechtergerechtigkeit und den Klimawandel, zu denen der AEE auch künftig „einen im Herrn gegründeten Einspruch“ vortragen müsse.

Walter Schnell verwies als Vizepräsident der Landessynode in seinem Grußwort  auf den Beitrag des AEE zum Konziliare Prozess zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Sein Fazit in Reimform lautete: „Frisch, frech und froh, AEE, mach weiter so“.

Von welcher Kirche die evangelische Jugend träumt, sollte Paula Tiggenmanns, die Vorsitzende der Landesjugendkammer, berichten. Was sie sagte, war aber nicht träumerisch: „Wir wissen, was unser Ziel ist und wollen mitmachen, auch wenn es die eine oder andere Anpassung nötig macht. Lasst uns doch machen: Nicht nur vorformulierte Fürbitten im Gottesdienst vorlesen, warum nicht auch einmal selber predigen? Warum geht immer alles so langsam? Veränderung erzeugt oft Angst. Wir wollen einfach mal etwas ausprobieren - und vielleicht auch einmal scheitern.“  

 

Mit Hans-Jürgen Benedict trat ein Mann ans Pult, der einerseits den Stallgeruch kirchenkritischer, progressiver Bewegungen trägt, sich andererseits dem Thema als Wissenschaftler nähert. Er stieg ein mit dem Diktum Dietrich Bonhoeffers, das im AEE seit 1968 eine zentrale Rolle spielt:  „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.“ Die evangelische Kirche der Nachkriegszeit habe sich mit Reformbemühungen aber überwiegend um ihren Bestand als Institution gesorgt. Benedict machte auf die Ambivalenz dessen, was progressiv bedeutet, aufmerksam:

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Da schwingt neben der Hoffnung auf Verbesserung auch die Angst vor zerstörerischer Veränderung mit. Inzwischen bezeichnen sich auch Bischofe und Synoden progressiv. „Der Kampf auf Biegen und Brechen ist vorbei. Man braucht keine neu Feinderklärung“ mehr, meinte er mit einer gewissen Altersweisheit. Der christliche Glaube helfe dazu, auch die unperfekte Welt auszuhalten. Und neben die politische Predigt müsse die Pflege der Spiritualität treten. Ob damit freilich der Schrumpfungsprozess des Bestands der Kirche aufgehalten werden könne, sei eine offene Frage.

 

Bei der Mitgliederversammlung gab Hans-Willi Büttner den Bericht des Sprechers

- Ein Arbeitsschwerpunkt des AEE  war die Vorbereitung auf das Synodalthema Frieden im März 2019. Dazu trat der AEE dem Initiativkreis Frieden (IKF) bei und steuerte eine Erklärung zum Friedensauftrag der Kirche mit dem Titel „Den Drachen an der Leine führen“ bei. Zu diesem Engagement zählt auch die Zusammenarbeit mit der landeskirchlichen Arbeitsstelle für konstruktive Konfliktbearbeitung (kokon).

 - Netzwerkarbeit ist für Reformgruppen unerlässlich. So wurde Kontakte zur Evangelischen Jugend Nürnberg, zur Evangelischen Akademikerschaft, zu den Arbeitskreisen der Synode und zum Predigerseminar Nürnberg hergestellt und im Rahmen der Möglichkeiten gepflegt.

Gerhard Monninger