Ist er wirklich weg?

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Donald Trump soll nun also weg sein?! Als US-Präsident ist er´s wohl, aber das, wofür er politisch stand und steht, wird in der US-Gesellschaft wohl nicht so ohne weiteres von der Bühne verschwinden. Meint unser Autor Hans-Gerhard Koch in einem religionspolitischen Kommentar, der demnächst in unserem Mitglieder-Magazin "b&k" erscheint. Und hat ein paar Fragen an die evangelikalen Christen in den USA.

Ist er weg?

Fragen an unsere „evangelikalen“ Schwestern und Brüder in USA /
Von Hans-Gerhard Koch

 

Ist er weg? So fragte auf einer viel geteilten Karikatur die Freiheitstatue und geht vorsichtshalber hinter ihrem Sockel in Deckung.

Die Antwort steht noch aus. Zwar hat Ex-Präsident Trump sich am Dreikönigstag mit seinem Beitrag zum Sturm auf das Capitol bei vielen, auch konservativen Anhängern disqualifiziert.

Aber wird er und das, wofür er politisch steht, wirklich von der Bühne verschwinden?

Eine Gruppierung, die zu seinen bisher treuesten Wählern zählt, verschwindet jedenfalls nicht: Die „Evangelikalen“. Nach „Washington Post“ haben 76 Prozent der weißen Evangelikalen für Trump gestimmt, und auch 68 % der protestantischen Christen jeder Art.

Nun ist „evangelikal“ und das englische Pendant „evangelical“ ein schillernder Begriff. Er umfasst „linke“ und „rechte“ politische Überzeugungen, diesseits und jenseits des Atlantik. Die klassische Definition des englischen Historiker Bebbington nennt vier gemeinsame Merkmale: „Conversionism“, „activism“, biblicism“ und „crucicentrismn“. Da könnte mit etwas guten Willen sogar der AEE gemeint sein, und viele christliche Gemeinschaften, denen „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ völlig fremd sind.

Meine Fragen an die „Evangelikalen“ aber zielen auf einen „politischen Evangelikalismus“, der wesentlich für den Aufstieg Donald Trumps verantwortlich ist und für den „Trumpismus“-  mit oder ohne ihn – bleibt. Den gibt es in Deutschland so noch nicht. Die Evangelische Allianz hat erst jüngst Kritik an Trump für legitim erklärt und eines ihrer Präsidiumsmitglieder, das ihn für sakrosant erklären wollte, zurückgepfiffen.

Aber im Umfeld der AfD gibt es durchaus eine Schnittmenge zwischen „Evangelikal“ und „Rechtsradikal“. Liane Bednarz hat sie in ihrem Buch „Die Angstprediger“ beschrieben.

Insofern beziehen sich meine Fragen auch auf Richtungen in unserem Land.

  1. Ist es wirklich evangeliumsgemäß, wenn ganze Gruppen von Menschen ausgegrenzt werden, nämlich Homosexuelle, Muslime, Einwanderer, oder Frauenrechtlerinnen?
    Der Jesus der Evangelien hat das Gegenteil getan.
  2. Gebietet es das Evangelium, diese Gruppen durch politische Maßnahmen zu benachteiligen? Der Hauptstrom der Bibel geht davon aus, dass alle Menschen gleichermaßen Gottes Kinder sind-
  3. Heiligt der Zweck alle Mittel, wenn man einen Rassisten, Lügner, Ehebrecher, Klimaleugner und Antidemokraten politisch unterstützt, nur weil er politische Forderungen wie das Verbot der Abtreibung, kreationistische Lehrpläne oder neoliberale Wirtschaft zu unterstützen verspricht?  Macht man sich nicht mit solchen Bündnispartner selbst unglaubwürdig?
  4. Ist die unter amerikanischen „Evangelikalen“ verbreitete Endzeitlogik wirklich evangeliumsgemäß? Nach dieser Logik wird zuerst der Tempel in Jerusalem wiedererrichtet, dann findet das Harmageddon, die Entscheidungsschlacht zwischen Gut und Böse statt und dann die Entrückung der wenigen Auserwählten durch den wiederkommenden Christus. Der Rest der Menschheit wird – leider vernichtet. Was ist das für ein Menschenbild? Und war für eine Politik, die das zum Beispiel mit einer bedingungslosen Unterstützung des Staates Israels oder einer forcierten atomaren Aufrüstung vorbereitet?

Ja, leider werden wir den „Trumpismus“ nicht los, auch wenn wir vielleicht den 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten los werden. Und vornehme theologische Zurückhaltung gegenüber vielen wirklich bizarren Interpretationen der Bibel wird nicht genügen. Wir vom AEE haben immer gesagt, dass wir die Bibel „ernst, aber nicht wörtlich“ nehmen. Es könnte sein, dass wir dazu einen neuen Anlauf nehmen müssen.

 

Zwei Literaturhinweise: Bei der Bundeszentrale für Politische Bildund (bpb.de) kann jede und jeder das erwähnte Buch von Liane Bednarz, aber auch das umfassende „Handbuch Evangelikalismus“ günstig und portofrei bestellen.