Götze Automobil

Götze Automobil
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Wie die FDP die Verkehrswende verhindert / Von Gerhard Monninger

 

Wenn der Herr Benz vor knapp 140 Jahren gesagt hätte: Liebe Menschheit, ich beschere euch ein Transportmittel, das unglaubliche Dinge kann: Ihr werdet so schnell sein wie die Vögel des Himmels, ihr werdet mit einer winzigen Bewegung eures Fußes über die Kraft von hundert Pferden gebieten. Ihr werdet ohne Schweiß zu vergießen tonnenschwere Lasten bewegen – aber es gibt ein paar Probleme: Das Auto wird einige Tausend Tote pro Jahr als Tribut fordern, die Luft der Städte wird verpestet werden, die Erderhitzung wird sich beschleunigen – wenn er das gesagt hätte, der Herr Benz, hätten wir dann heute das Automobil?

 

Die Frage ist obsolet – wir haben es! Und es hat uns – im Griff. Selbst eine rotgrün-gelbe Regierung, die sich die Verkehrswende ins Programm geschrieben hat, kann sich nicht aus dieser Umklammerung lösen; genauer gesagt, der FDP Partner in dieser Regierung. Verkehrsminister Wissing prognostiziert in einem Gutachten seines Hauses: Der Personenverkehr auf der Straße wird bis 2051 um 7 Prozent zunehmen, der Güterverkehr um 50 Prozent. Sein Fazit: „Wir brauchen auch den beschleunigten Ausbau der Straße, wenn wir unseren Wohlstand sichern wollen.“ Er setzte durch, dass fast 1000 Autobahn-Kilometer beschleunigt ausgebaut werden. Umweltschützer und Grüne waren entsetzt und warnten, die Klimaziele würden dadurch verfehlt. Eine neue Studie des Prognos-Instituts kommt zu ganz anderen Ergebnissen. Deren Szenario zufolge nimmt der Verkehr bis 2051 deutlich ab, insgesamt um 22 Prozent. „Dass der Verkehr hierzulande immer weiter ansteigt, ist eine politische Entscheidung von Volker Wissing, keine wissenschaftliche Selbstverständlichkeit“, urteilen die Analysten. Die Prognose des Verkehrsministeriums sei eine Fortschreibung des Status Quo. Nötig sei aber der Wille zur politischen Veränderung. An diesem Willen hapert es auch noch an vielen anderen Stellen.

 

 l Auf deutschen Straßen wird weiterhin sehr viel CO2 ausgestoßen – und Besserung ist kaum in Sicht. Um die Klimaziele zu erreichen, müsste die Reduktion erheblich beschleunigt werden. Stattdessen hat die FDP durchgesetzt, dass die Treibhausgasbilanz nicht mehr nach einzelnen Sektoren (z. B. Gebäude, Energie, Industrie, Verkehr), sondern nur in der Gesamtsumme dargestellt wird. Darin kann sich der Verkehr dann gut verstecken, andere Sektoren müssen kompensieren, was im Verkehr verfehlt wird.

 

 l Ein Tempolimit auf den Bundesautobahnen ist für die FDP nach wie vor ein Tabu. Dass damit laut einer Studie des Umweltbundesamtes 1,9 bis 5,4 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden könnten, wird geflissentlich überhört.

 

l Das Dienstwagenprivileg: Wer einen Dienstwagen privat nutzen kann, profitiert davon, dass die Anschaffungskosten, Reparaturen, Steuern und in einigen Fällen auch der Sprit vom Arbeitgeber getragen werden. Da für die private Nutzung also kaum Kosten anfallen, muss diese als sogenannter geldwerter Vorteil entsprechend versteuert werden. In Summe entgehen dem Fiskus dadurch etwa 3,5 bis 5,5 Mrd. Euro pro Jahr (FÖS 2021; UBA 2021). Das Forum ÖkologischSoziale Marktwirtschaft sagt dazu:

 

„Rund zwei Drittel aller Neuwagen werden gewerblich zugelassen. Firmen- und Dienstwagen bestimmen also maßgeblich das Tempo der Antriebswende und sind zentraler Hebel für den Klimaschutz im Verkehr. Vor allem das Dienstwagenprivileg fördert den Absatz neuer Autos und wirkt wie eine Auto-Flatrate. Es werden dabei aber weiterhin viele CO2-intensive Autos gekauft, die dann für viele Jahre auf den Straßen bleiben und das Erreichen der Klimaziele erschweren. Auch kommt die Subvention ganz überwiegend den einkommensstärksten 1 bis 10 Prozent der Bevölkerung zu, was sie sehr ungerecht macht.“ Die FDP macht also ihrem Selbstbild als Partei der „Besserverdienenden“ wieder alle Ehre.

 

Freilich – man darf es sich mit der Kritik an dieser klimafeindlichen Verkehrspolitik nicht zu leicht machen. Sie beruht auch auf einer manchmal fast kultischen Verehrung des Automobils. Es ist erschreckend zu sehen, welche Opfer wir diesem zugegeben faszinierenden Verkehrsmittel bringen. Allein es zu kaufen und zu unterhalten verschlingt einen Großteil unseres Einkommens. Im Jahr 2022 sind 2.788 Menschen im Straßenverkehr gestorben, 361.134 haben Verletzungen davongetragen.

 

 Das ist ein Blutopfer, wie es früher allenfalls einer Gottheit dargebracht wurde.

 

Könnte es sein, dass das Auto für viele Menschen zum Götzen geworden ist? Ich beobachte, wie Männer schneller atmen, wenn sie vor einem der Kultobjekte aus der Automobilindustrie stehen. Ja, der Götze hat seinen Kult, man dient ihm.

 

 Es mag ja sein, dass wir in bestimmten Situationen auf das Auto nicht ganz verzichten können. Aber es dient doch nur dazu, von A nach B zu kommen, und da gibt es jede Menge klimafreundlicher Alternativen. Der Götze muss vom Sockel gestürzt werden. Dann kann sich die FDP nicht mehr auf den Willen der Bürger berufen.

Gerhard Monninger t