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Noch keine Namen, aber ein Profil / Von Hans-Gerhard Koch

 

1999 war es das letzte Mal, dass der AEE einen Bischof vorgeschlagen hat. Es war das AEE-Mitglied Dr. Johannes Friedrich.  Der AEE durfte das, denn kirchliche Vereinigungen aller Art haben die Möglichkeit, Personen vorzuschlagen. Dann macht der Wahlvorbereitungsausschuss im September einen Vorschlag mit zwei bis sechs Personen. Im Jahr 2022 hält sich der AEE vornehm zurück. 

Wir nennen keine Personen, wohl wissend, dass bei den bisherigen Bischofswahlen manche, die zu früh genannt wurden, bei der Wahl selbst nicht zum Zuge kamen.

Deswegen nennen wir mal lieber keine Person. Aber ein Profil. Unsere Programmschrift Sieben Wegweiser für eine offene Kirche ist uns immer noch „wegweisend“:

 

1. Kirche ist Kirche für andere

„Institutionen entwickeln ein Eigenleben und wenden viel Kraft dafür auf, nachzuweisen, wie unentbehrlich sie sind. So beobachten wir auch in unserer Kirche eine ängstliche Sorge, ihren Bestand und ihr öffentliches Ansehen zu sichern, oft verbunden mit einem mangelnden Selbstbewusstsein im gesellschaftlichen Leben. … Wo sich Kirche aber zu sehr um sich selbst kümmert, stimmt etwas nicht.“

 

Wir wünschen uns also eine Bischöfin oder einen Bischof, der oder die nicht ängstlich auf zurückgehende Mitgliederzahlen oder Kirchensteuern starrt, sondern Zuversicht ausstrahlt. Sie oder er sollte das Heil auch nicht in betriebswirtschaftlichen Kennzahlen suchen, sondern in der Zuversicht, dass in Veränderungen auch der Heilige Geist unterwegs ist.

 

2. Fromm sein und politisch

„Aus der Wende nach innen soll das Engagement hervorgehen. Spiritualität und Kampf sind die zwei Seiten einer Medaille. Der Friede, der höher ist als alle Vernunft, will Hand und Fuß haben. Die Liebe will nicht nur die Herzen erwärmen, sondern auch Gestalt gewinnen in politischen Entwürfen, in Gesetzen und Verträgen. Wirkliche Frömmigkeit schließt die Politik mit ein. … Kirche für andere sein heißt POLITISCHE KIRCHE sein. Dazu gehört, dass wir immer wieder auch konkret Partei ergreifen. Die Bindung an Jesus Christus macht uns dabei frei von falschen Abhängigkeiten.“

 

Wenn unserem jetzigen Bischof immer mal wieder vorgeworfen wird, er sei zu politisch, dann widersprechen wir entschieden. Eine „unpolitische“ Bischöfin, die nur Innerlichkeit predigt, wäre natürlich trotzdem politisch – allerdings auf der falschen Seite, der Seite der Mächtigen.

 

3. Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung

„Friede erfordert konkret die Überwin-dung der atomaren Rüstung und der weitergehenden Hochrüstung, die Beendigung der Waffenexporte und eine internationale Ächtung und Bestrafung von Kriegstreibern. Gerechtigkeit erfordert eine veränderte Weltwirtschaft mit dem Ziel einer gerechteren Verteilung der Güter und Lebenschancen auf der Erde. Die Bewahrung der Schöpfung erfordert eine Wiederherstellung und Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts auf der Erde wie im Verhältnis von Mensch und Natur .... Für uns ist das Gebot der Stunde, solidarisch zu sein mit den Opfern von Unfrieden, Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung. Das ist umso dringlicher, als unsere Lebensformen und unser Wirtschaftssystem verantwortlich sind für den drohenden Kollaps.“

Wir wünschen uns einen Bischof oder eine Bischöfin, die bei Klima-Demos zu finden ist, aber auch darauf dringt, dass wir als Kirche unsere Hausaufgaben in Klimaschutz, gewaltfreier Konfliktbearbeitung und sozialer Gerechtigkeit machen.

 

4. Geschwisterlichkeit statt Hierarchie

„Die evangelische Kirche kennt kein Lehramt. Das ist gut so. Für den Prozess der Formulierung dessen, was christlicher Glaube heute heißt, soll „Konziliarität“ gelten. Wir halten diesen Ansatz, der auf geduldigen Dialog setzt und auf einen absoluten Wahrheitsanspruch verzichtet, für verheißungsvoll. … In einem solchen Prozess wird es auch Streit geben. Wir glauben freilich, dass es eine produktive christliche Art zu streiten gibt: Lieber die Zähne zeigen als die kalte Schulter.“

 

Wir möchten eine Bischöfin oder einen Bischof, der der Versuchung widersteht, das einzige Gesicht der ELKB zu sein. Das ist gerade dann wichtig, wenn die Medien ständig personalisieren. Kirchenleitung ist bei uns auf viele Schultern verteilt, und das ist gut so.

 

5. Die Bibel ernst nehmen, aber nicht wörtlich

„Unsere Bibelauslegung geschieht „kritisch“, nicht weil sich ein Mensch anmaßt, sich über Gottes Wort zu stellen. Kritik bedeutet an dieser Stelle, die Bibel mit geschärftem Blick zu lesen, die Lebensumstände und Denkweisen der damaligen Zeit herauszuarbeiten und nach der Absicht der biblischen Autoren zu fragen. … Wie viele Menschen nehmen z. B. bis heute Anstoß an der biblischen Aussage, Jesus Christus sei vom Heiligen Geist gezeugt und von einer Jungfrau geboren worden. Sie missverstehen sie als biologische Kuriosität und erkennen die Verkündigungsabsicht einer solchen bildhaften Aussage nicht. Wir beklagen, dass selbst die elementarsten Erkenntnisse der modernen Bibelforschung oft als Geheimwissenschaft behandelt werden, die man der Gemeinde vorenthält. in einer KRITISCHEN KIRCHE könnten viele Zeitgenossen wieder eine Heimat finden.“

 

Wir hoffen auf eine Bischöfin/einen Bischof, der dem nicht nur in der Kirche wachsenden Fundamentalismus eine „erleuchtete Vernunft“ gegenüberstellt und ohne Scheuklappen Dialoge in Gang bringt.

 

6. Verkündigung, die zu Herzen geht, ohne den Kopf zu verlieren

„Auch wenn wir im guten Sinne Aufklärer bleiben wollen, müssen wir doch selbstkritisch feststellen: Unser Gemeindeleben, unsere Gottesdienste sind arm an Gefühlen, Gebärden, an Spontaneität. Bürgerliche Konvention beherrscht vielfach unseren Umgang miteinander. … Wir sollten uns nicht kämpferisch von neuen Frömmigkeitsformen absetzen, sondern Elemente unserer eigenen Tradition, die in jene Richtung weisen, hervorholen und kritisch prüfen. Es gibt hier allerhand zu lernen, wenn wir nur nicht den Kopf verlieren.“

 

Ein Bischof, eine Bischöfin kann auf beiden Seiten vom Pferd fallen: immer nur in frommer Innerlichkeit baden oder jedes Thema der medialen Öffentlichkeit aufgreifen. Wir hoffen auf eine Person, die Menschen begeistern und bewegen kann.

 

7. Die Reformation ist noch nicht zu Ende

„Wir wünschen uns eine Kirche, die in Bewegung bleibt und keine Angst vor Veränderungen hat. Von der Heiligen Schrift und den Bekenntnissen soll sie sich den Weg zeigen lassen. Dabei gibt es auch noch manche Entdeckung der Reformation umzusetzen.“

 

Der AEE hat dazu beigetragen, dass unsere Kirche demokratischer, geschlechtergerechter und offener geworden  ist. Aber es ist noch viel zu tun. Wir wünschen uns eine Bischöfin/einen Bischof, der oder die im besten Sinne lutherisch und evangelisch ist. Aber er oder sie muss daran arbeiten, dass die Kirchentrennungen aufhören. Vielleicht heißt Ökumene heute sogar mehr: eine Welt-Religion, weil nur die sich den gewaltigen Herausforderungen stellen kann. Klar, das alles kann eine Person unmöglich schaffen. Aber sie sollte in dieser Richtung unterwegs sein. Der AEE geht dann gerne mit.