...oder: Mit dem Fahrrad die Elbe entlang
Eine Reise um die Erde dauerte nach dem berühmten Roman von Jules Verne 80
Tage. Die Nachfolger des britischen Gentleman Phileas Fogg schaffen den Weg
einmal um die Welt in einem Bruchteil dieser Zeit.
Ich habe jemanden kennen gelernt, dessen Ziel es war, auf einer Reise alle sechs
Kontinente zu betreten und in drei Ozeanen zu baden, und er benötigte dafür 17
Tage. Das war im Jahr vor Corona. Die Route führte über London, Hongkong, Bali,
Sydney, Neuseeland, Tahiti, Los Angeles, London zurück nach Hannover. An jedem
Flughafen erwartete ihn ein deutsch-sprachiger Reiseleiter mit einem klimatisierten
Kleinbus. Der brachte sie in ein Fünf-Sterne-Hotel und - soweit Zeit war - zu Museen,
Bootsfahrten und kleinen Ausflügen. 50 Stunden saß er insgesamt im Flugzeug.
Besonders beglückt war dieser Weltreisende nicht. Er erlebte die Welt als Abfolge
von Flughäfen, die einander ziemlich ähnlich waren, überall die gleichen
Piktogramme, Autovermietungen, Boutiquen. Er war auf Schnellstraße zwischen
Flughafen und der jeweiligen Metropole unterwegs, gesehen hat er eigentlich nichts,
außer den frag-würdigen Attraktionen, die man für Jet-Set-Reisende bereithält.
Warum ich das alles erzähle? Mit unserer Art zu leben, hier speziell mit unserer Art
zu reisen sind wir an einen Punkt angekommen, wo sich Träume in Albträume zu
verwandeln drohen. Der Planet ist nicht mehr in der Lage, unseren Lebensstil,
unseren Energieverbrauch zu verkraften, Stichwort Klimawandel. Flugreisen tragen in
hohem Maß dazu bei. Unsere natürlichen Lebensgrundlagen werden mehr und mehr
schwinden. Die nach uns kommen, werden es ausbaden müssen. Das ist vor Gott
und den Menschen nicht gerecht. Und Lebensqualität gewinnen wir mit dieser Art zu
leben doch auch nicht! Weniger ist oft mehr, langsam oft besser als schnell. Wir
müssen wieder entdecken, was uns wirklich gut tut.
Ich würde meinem Weltreisenden gerne eine Erfahrung empfehlen, die ich im letzten
Sommer gemacht habe: Ich fuhr mit meiner Frau mit dem Fahrrad die Elbe entlang,
von der Quelle im Riesengebirge in Tschechien bis nach Dresden. Schön gemütlich,
aber doch so, dass man seinen Körper spürte, die Gerüche der Landschaft
einatmete, mit dem Wind kämpfte oder von ihm beflügelt wurde. Wenn uns am
Straßenrand etwas gefiel, stiegen wir ab und verweilten ein wenig. Vom
Fahrradsattel aus sieht man ja jede Kleinigkeit. Wir kamen durch verschlafene
Dörfer, in denen die Zeit stehen geblieben war, und kehrten im Dorfwirtshaus zum
Essen ein. Kein Zeitplan saß uns im Nacken, wir fuhren einfach drauflos. Natürlich
wollten wir an einem bestimmten Tag in Dresden ankommen, aber da gab es ja auch
noch die Eisenbahn, die uns geholfen hätte, die Strecke abzukürzen. Wir brauchten sie
nicht.
Am Ende waren wir richtig gut erholt und auch etwas stolz, so eine Reise gemacht zu
haben. Natürlich haben wir mit ihr nicht die Welt gerettet, aber uns selber haben wir
etwas Gutes getan.
Gerhard Monninger